Das bayerische Verkehrsministerium schafft in einem Vorgriff auf kommende Gesetzesänderungen die Ortskunde für Mietwagen und Krankenkraftwagen in Bayern schon mal ab.
Im Normalfall gilt Bayern nicht unbedingt als das Bundesland mit der schnellsten Reaktion auf Gesetzesänderungen. Umso mehr überrascht es, dass nun mittels einer sogenannten „Vorgriffsregelung“ der Wegfall der Ortskundeprüfung für den Mietwagen- und Krankenkraftwagenverkehr – und das gilt damit auch für die Notfallrettung! – für ganz Bayern angeordnet wurde.
Das Argument:
Im Mietwagen und auch Krankenkraftwagenverkehr seien „das Fahrziel in der Regel im Vorfeld bekannt.“ Der richtige Weg könne somit bereits im Vorfeld ausgewählt werden, ebenso werden die Fahrpreise „meist im Voraus“ verhandelt und Umwege würden sich nicht auf den Preis auswirken. Im Gegensatz dazu gelte das bei Taxifahrten nicht. Das bedeutet im Umkehrschluss dann wohl, dass die Ortskenntnis eines Taxifahrers nicht in Frage zu stellen ist.
Die bisherige Praxis:
Die Ortskunde für Mietwagen und „Krankenkraftwagenverkehr“ zu dem auch die Notfall- und Unfallrettungsfahrzeuge gehören, wurde bislang für Städte und Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohner vorausgesetzt. Die Ortskundeprüfungen für Mietwagen wurden meist durch die jeweiligen Führerscheinstellen oder deren Beauftragten durchgeführt. Für die Ortskunde im Rettungswesen waren die Hilfsorganisationen selbst zuständig, sofern der Fahrer ehrenamtlich oder Hauptberuflich dort tätig ist. Aus Erzählungen von Krankenwagenfahrern, die sich für die Ortskundeprüfung Taxi angemeldet hatten, wissen wir, dass diese Prüfung zumindest beim bekanntesten Rettungsdienst mit der namentlich Nennung von fünf Krankenhäusern (ohne Straßenangabe) in München bestanden war.
Die Erteilung für den erforderlichen P-Schein zum Krankentransport erhält man übrigens bereits mit 19 Jahren. Patienten die mit Blaulicht ins Krankenhaus gefahren werden, brauchen sich jetzt aber nicht zu fürchten, denn falls durch mangelnde Fahrpraxis ein Unfall entstehen sollte, sitzt der Arzt ja schon nebendran.
Aus diesem Grunde haben in bayerischen Städten mit mehr als fünfzigtausend Einwohnern bislang nur wenige Mietwagenunternehmen ihren Betriebssitz. Die Firmensitze werden in kleinen Gemeinden nebenan angemeldet, damit kann Personal ohne die entsprechende Ortskenntnis beschäftigt werden.
Merkwürdig nur, dass aus demselben Ministerium, das jetzt den Wegfall der Ortskenntnis im Vorgriff beschlossen hat, noch vor zwei Jahren eine Verordnung erlassen wurde, die klar regelte, dass Mietwagenfahrer bzw. Unternehmer, deren Betriebssitz zwar in kleinen Gemeinden liegt, aber deren Fahrten überwiegend (also mehr als die Hälfte aller Fahrten) in den größeren Nachbarstädten Fahrten durchgeführt werden, dennoch eine Ortskenntnisprüfung benötigen. Bedauerlich nur, dass diese Verordnung von den zuständigen Behörden nie kontrolliert wurde.
Die Auswirkungen für die Städte:
Zunächst muss man natürlich davon ausgehen, dass nun die Mietwagenunternehmen ihre Betriebssitze in München anmelden, und damit die Zahl der Unternehmen deutlich steigen wird. Für München kann man schon mal vermuten, dass von den bereits genehmigten zusätzlichen Personalstellen, eine die ursprünglich angedachten notwendigen Aufgaben nicht übernehmen kann, sondern sich mit der Genehmigung von Mietwagen beschäftigen wird. In der Praxis wird damit die Überprüfung der nach wie vor gesetzlich vorgeschriebenen Rückkehrpflicht deutlich schwieriger, die Einhaltung der Pflichten wird kaum noch kontrollierbar sein. Wildwuchs und illegale Personenbeförderung insbesondere zum Oktoberfest werden deutlich zunehmen.
Die Auswirkungen für die Kunden:
München ist neben Berlin die einzige deutsche Stadt in der die Firma Uber noch aktiv ist und nicht durch die Verwaltungsbehörden verboten wurde. Die Fahrten mit Uber sind alle spontan und weder im Voraus planbar, noch kann sich ein Fahrer eine geeignete Route überlegen. Die Uber App schlägt dem Fahrer einen Weg vor und zeigt ihm diesen über das Handy als Navigation an. Ob dieser Weg allerdings für den Kunden der Beste ist, kann keiner überprüfen, über Alternativen verfügt der Fahrer nicht. Aus Kundengesprächen wissen wir, dass beispielsweise Uber-Fahrten von Laim in die Innenstadt durch Strecken über den mittleren Ring schon mal um die 30 Minuten dauern können und ein ortskundiger Taxifahrer diese Fahrten nach Taxitarif mit gut einem Drittel weniger Fahrpreis abgerechnet hätte. Dies lassen wir dann auch unkommentiert stehen, die Kunden scheinen zu wissen was sie wollen.
Schwieriger und eigentlich makaber wird das Thema beim Krankentransport und bei der Notfallrettung. Vor ungefähr einem Jahr hat die integrierte Leitstelle für Rettungsdienste aus der Heimeranstraße sich Ortskundeunterlagen von der Taxischule zugelegt und um Schulungskonzepte angefragt. Der Grund: Die Rettungsleitstelle hat das Problem, dass eine große Zahl der Fahrer von den Hilfsorganisationen (deren Ortskenntnisprüfung oben bereits beschrieben wurde) die Adressen und damit die Patienten nur mit Hilfestellung durch die Einsatzzentrale finden. Deren Aufgaben sind allerdings ganz andere und nicht das Leiten der Fahrer, wo sie nun rechts oder links abzubiegen hätten. Vermutlich muss erst einmal ein Patient durch dieses Unwissen scherwiegende gesundheitliche Folgen erleiden, damit die Hilfsorganisationen ihre Aufgaben wieder ernst nehmen.
Wer so viel, wie wir Taxifahrer auf Münchens Straßen unterwegs ist, kann dann auch ganz absurde Situationen beobachten, wie z.B. ein stehendes Notarztfahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn mitten auf dem Kapuzinerplatz, das den gesamten Verkehr lahmlegt und der Fahrer mit seinem Beifahrer sichtbar beratschlagt, ob sie jetzt wohl besser rechts, links, oder geradeaus fahren sollten, um zu einer der Universitätskliniken zu kommen.
Bleibt zum Schluss natürlich noch die Frage, was denn ausgerechnet die bayerische Regierung veranlasst hat, hier in einem Schnellschuss im „Voraus“ zu handeln. Ein Schelm natürlich wer an irgendeine Art der Einflussnahme durch eine große amerikanische Firma oder gar regionale Hilfsverbände denkt. Natürlich können wir auch das Argument gar nicht wirklich nachvollziehen, dass das Taxigewerbe trotz großem Bundesverband keine gute und wirksame Lobbyarbeit leiste. Da folgen wir doch schon eher dem ersten Kommentar aus Berliner Kreisen: Bestimmt ist es die Rache der Politik, dass das Taxigewerbe stets und immer nur am Jammern und am Nerven ist. Das aber könnten wir zum Anlass nehmen mit dem zu reagieren, was wir am besten können: Zuverlässig, freundlich im Umgang mit Kunden, souverän und kundig auf allen Wegen Fahrgäste dorthin befördern, wo sie gerne hin wollen.
Mai 2017